Inklusions-Projekt der Evang. Kirchengemeinde Reutlingen-Hohbuch

In der Evang. Kirchengemeinde Reutlingen-Hohbuch trifft sich die Nachbarschaft unter dem Motto "will.kommen".

 

1.       Um welches Projekt handelt es sich und wann hat das Projekt begonnen?

„Gemeinschaft, die belebt – Nachbarschaft, die trägt“ – ein Projekt desFreundeskreises der Evangelischen Kirchengemeinde Reutlingen-Hohbuch e.V.

Der Freundeskreis existiert seit 1997 und hat nahezu 100 Mitglieder. Er sieht seine Aufgabe in der Förderung der sozial-diakonischen Aufgaben der Evang. Kirchengemeinde im Reutlinger Wohngebiet Hohbuch-Schafstall.

 

2.       Wie war ihre Projektidee und welche Überlegungen haben Sie dabei geleitet?

Mit den Angeboten des Projekts „Gemeinschaft, die belebt – Nachbarschaft, die trägt“ wollten wir den Zugang zu unserer Kirchengemeinde und zur Teilhabe am Leben im Stadtteil eröffnen und erleichtern.

Die ursprünglich vorgesehenen Projektschwerpunkte waren: (1) Kultur- und religionsübergreifende Ausweitung der Hausbesuche und Alltagsbegleitungen in Kirchengemeinde und Stadtteil, (2) Organisation eines offenen Forums zur Gewinnung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und (3) Teambildung zu den wesentlichen Aufgaben.

 

3.       Wie wurde die Projektidee umgesetzt (Maßnahmen, Beteiligte, Zeithorizont, Räumlichkeiten, Finanzen…)?

Die Suche nach Vernetzungspartnern im Stadtteil war mühsam, ebenso der Aufbau einer dem Projekt entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit. Hilfreich war die Einrichtung einer Koordinationsstelle.  Ihre Aufgabe war u.a., die Interessen der Ehrenamtlichen aufzugreifen und für das Projekt nutzbar zu machen.

Das Projekt lief von Februar 2018 bis Januar 2019. Die Ausgaben in Höhe von über 60.000 € wurden überwiegend aus Projektmitteln des Fonds für Inklusion finanziert.

 

Ab Februar 2018 ist eine Vielzahl von Aktivitäten entstanden:

  • 14-tägiger Spielenachmittag im Hohbuch-Café (ein seit 2007 bestehendes Inklusionsprojekt des Reutlinger Diakonieverbands in den Räumlichkeiten des Ev. Gemeindezentrums)
  • Offener Nachbarschaftstreff – jeden letzten Donnerstag des Monats im Hohbuch-Café

Jeden Monat treffen sich interessierte Bewohner unseres Stadtteils bei Kaffee und

Kuchen, um sich auszutauschen und einander Anteil zu geben beispielsweise zur Frage: Was ist Dein Lieblingsplatz im Stadtteil? Was wünsch ich mir für mein Viertel?

Daraus entstanden gemeinsame Spaziergänge und Entdeckungen gemeinsamer Treffpunkte zum Beispiel an Spielplätzen. Aber auch gemeinsame Wahrnehmung von Mängeln konnten festgehalten werden: fehlende Gastronomie, kaum bewegungsorientierte Angebote wie z.B. Yoga-Kurse oder ähnliches.

  • Kultur ums Eck

Offene Bühne für Menschen aus dem Stadtteil, um Teilhabe am kulturellen Leben sowohl für Publikum als auch Darbietende zu erleichtern. Mindestens einmal im Monat können jetzt Kulturveranstaltungen angeboten werden. Das kann in unserem Gemeindezentrum geschehen, aber auch auf anderen Plätzen im Wohngebiet.

  • Talk ums Eck

Als eigenständige Reihe entstand aus den Überlegungen zur Kultur ums Eck eine zweite Reihe, die Menschen in Interviews in den Mittelpunkt und der Öffentlichkeit im Stadtteil nahebringt.

  • Martinsumzug

Auf Anfrage mehrerer Kindergärten im Stadtteil konnte ein gemeinsamer Abschluss mit Anspiel und anschließendem Brezelteilen nach jeweiligem Laternenlauf von vier Kindergärten für über 500 Teilnehmer organisiert werden.

  • Kooperation mit „Mama lernt Deutsch und Papa auch“

Im Interesse junger Familien wurden Begegnungen zwischen einer internationalen Mutter-Kind-Gruppe des benachbarten Hauses der Familie des Evangelischen Kirchenbezirks und dem von der Stadt Reutlingen verantworteten, in unserem Gemeindehaus veranstalteten Deutschkurs für Mütter mit Kleinkindern unterstützt.

  • Stadtteil-Vernissage

In einem Markt der Möglichkeiten mit familienfreundlichem Rahmenprogramm und Keynote

für ehrenamtlich Engagierte und Interessierte konnte eine Plattform für den Stadtteil geschaffen werden, sich einmal jährlich über Aktivitäten, Angebote und Aufbrüche im Stadtteil auszutauschen.

 

4.       Ist das Projekt beendet? Falls ja: ist eine Fortsetzung außerhalb der Förderung durch den Aktionsplan geplant?

Will.kommen! hat sich als Projekt zur Stärkung nachbarschaftlicher Netzwerke etabliert.

Der „Offene Nachbarschaftstreff“, der „Spielenachmittag“ und die Angebote der Kultur ums Eck, des Talks ums Eck und der Stadtteil Vernissage konnten verstetigt werden.

Neu begonnenwurde der Aufbau eines Netzwerks zur Bereitstellung praktischer nachbarschaftlicher Hilfen, speziell der Besuchspatenschaften für Seniorinnen und Senioren. 

 

5.       Welche Erfahrungen haben Sie durch das Projekt gemacht?

Im Rahmen der verschiedenen Planungstreffen wurde bald deutlich, dass der inhaltlich treffende, aber zu lange Titel unseres Nachbarschaftsprojekts nicht kommunizierbar ist. Wir haben uns daher inzwischen für einen neuen, schlichteren Titel entschieden, unter dem wir das Projekt hier jetzt bewerben: Will.kommen!

Die Bewertung und Gestaltung der Angebote nach Kriterien der Inklusion sollte durch Gespräche mit Betroffenen und mit Fachkräften der Einrichtungen der Lebenshilfeund der Seniorenarbeit insgesamt intensiviert werden.

 

6.       Welche Erkenntnisse im Blick auf den Auftrag/die Möglichkeiten von Kirche und Gemeinde und Pfarrdienst haben Sie durch das diakonisch profilierte Projekt gewonnen?

Vielfach bekommen wir zu hören: „Gut, dass wenigstens die Evangelische Kirchengemeinde sich hier für den Stadtteil engagiert.“

Schwierig ist insbesondere die Gewinnung von Ehrenamtlichen. Damit das Projekt gelingen und fortgeführt werden konnte, braucht es ein hohes Maß an stabiler Hauptamtlichkeit.

Die Einbindung von Menschen mit Einschränkungen in unsere Entscheidungsstrukturen ist aus vielfältigen Gründen sehr schwerfällig. Hier ist es zumindest gelungen, die Wahrnehmung in unserer Gemeinde zu schärfen und deutlich mehr Aktionsflächen zu schaffen, die erlauben, z.B. per Mailabstimmung an Entscheidungsprozessen teilzunehmen.