Seelenschmaus, Heilbronn

In der Heilbronner Nikolaikirche treffen einander verschiedene soziale Schichten zur Stärkung von Leib und Seele.

 

 

1. Um welches Projekt handelt es sich und wann hat es begonnen?

Das Projekt Seelenschmaus ist ein Kooperationsprojekt zwischen den zwei innerstädtischen Gemeinden Kilian und Nikolai sowie dem Kreisdiakonieverband Heilbronn und der Aufbaugilde. Es besteht seit Sommer 2017.

Das ganze Jahr über bieten wir in der Kirche Dienstags und Donnerstags Mittagessen an:

Dienstags laden wir bekannte Heilbronner Persönlichkeiten ein, die einen Text mitbringen der ihnen Kraft gibt. Dieser wird vor dem Mittagessen vortragen. Im Anschluss spricht der Pfarrer/ die Pfarrerin der Nikolaigemeinde ein Tischgebet und wir essen gemeinsam. Beim Essen und im Anschluss gibt es die Möglichkeit für niederschwellige Seelsorgegespräche mit dem Pfarrer/ der Pfarrerin und Austausch untereinander bzw. mit dem Gast. 

Donnerstags gibt es neben dem Essen und den Gesprächen am Tisch, Livemusik am Klavier. In der Regel ist der Pfarrer der Kiliansgemeinde als Seelsorger anwesend.

Das Essen wird extern eingekauft. Damit es sich möglichst viele leisten können, bieten wir es ab 2 Euro an (jede/r zahlt soviel er/sie kann).

 

2. Wie entstand die Projektidee und welche Überlegungen waren leitend?

Das Projekt geht aus einer früheren Arbeit hervor, der „Mittagsbegegnung“. In der Nikolaikirche wurde in Kooperation mit der Aufbaugilde eine Suppenküche für Obdachlose eingerichtet. Die Zielgruppe wurde aber nicht erreicht, weswegen es dann „Stadt-Arme“ allgemein zugutekommen sollte. Einzig eine kleine Gruppe von Senioren (5-7 Personen) kam regelmäßig zum Mittagessen. In der Kirche wirkten diese wenigen Gäste verloren und die Atmosphäre war eher schlecht.

Ziel der Neubelebung war es, das Essenstreff als Stärkung für Körper und Seele anzubieten, indem der Kirchenraum als „predigender Raum“ durch weitere geistliche Elementen bewusst einbezogen wird. Dadurch sollten mehr und sozial unterschiedliche Gäste erreicht werden, damit eine Wohlfühlatmosphäre entsteht.

 

3. Wie wurde die Projektidee umgesetzt?

Durch einen Antrag beim Fonds „Inklusion leben“ hatten wir 10.000€ zur Verfügung, um das Projekt Seelenschmaus umzusetzen. Zunächst kümmerten wir uns um eine gute Öffentlichkeitsarbeit: Wir entwickelten zum Beispiel ein Logo und ließen Flyer drucken, die wir in allen Haushalten der Innenstadt Heilbronn gemeinsam mit einem Gutscheinkärtchen für ein Essen verteilten. Die bekannten Heilbronner Lesepaten trugen ihren Teil zur größeren Bekanntheit unseres Projekts bei.

Da ein wichtiges Ziel des Projekts war, die sozial gut gestellten Gemeindeglieder mit den „Stadt-Armen“ zusammenzubringen, war ein weiterer wichtiger Punkt die Werbung in der eigenen Gemeinde. Wichtig ist hierbei vor allem die Brücke über die Gemeindepfarrer. Da wir verlässlich beim Seelenschmaus da sind, lassen sich Gemeindeglieder durch uns gerne persönlich einladen. Eine ähnliche Funktion übernehmen auch die Lesepaten.

Nachdem der Seelenschmaus ein Jahr lang recht erfolgreich lief und die Besucherzahlen auf 20-30 Personen erhöht werden konnte, stellten wir 2018 einen erneuten Antrag beim Fonds Inklusion leben und nahmen einige Änderungen vor.

Es hatte sich gezeigt, dass wir die Organisation (z.B. Gewinnung von Lesepaten) als Pfarrer der Nikolaigemeinde nicht alleine schaffen können. Daher haben wir der Pfarramtssekretärin zusätzlich 3 Stunden für das Projekt Seelenschmaus geschaffen. Außerdem hat sich gezeigt, dass neben den 4 ehrenamtlich arbeitenden (je 2 pro Tag) eine Person benötigt wird, die sich um den Aufbau, das Kassieren und ähnliches kümmert. Diese Person sollte an beiden Tagen die gleiche sein und das Team zusammenhalten. Um das zu erreichen mussten wir hier eine Bezahlung einführen (geringfügige Beschäftigung).

Außerdem haben wir versucht über die Einbeziehung unserer Kindergärten und Religionsklassen auch jüngere Personen zu erreichen.

Wichtige Maßnahmen sind auch die Gemeindeprojekte, die wir ergänzend zum Seelenschmaus mit gleicher Richtung betreiben. Jede Woche Mittwochs bieten wir in der Nikolaikirche das Nikolai-Café an. Hier gibt es sehr preisgünstig Kaffee und Kuchen und einmal die Woche Livemusik. Viermal im Jahr veranstalten wir mit der Aufbaugilde in der Nikolaikirche Vorträge oder Gottesdienste zu Themen (Langzeitarbeitslosigkeit, Wohnungsnot, „Reicht Hartz 4 zum Leben?“ u.ä.) die Menschen am Rande unserer Gesellschaft betreffen und sind somit als Kirche Sprachrohr der Menschen in die Gesellschaft hinein. Außerdem konnte über das Flex-3-Paket der Landeskirche eine 50% Diakonenstelle für die Innenstadtgemeinden Nikolai und Frieden ausgeschrieben werden. Der Diakon/ die Diakonin könnte durch aufsuchende Arbeit die von der Kirche und zum Teil auch von der Gesellschaft abgehängten Menschen besuchen und einladen.

 

4. In welchem Zeithorizont läuft das Projekt?

Der Förderzeitrahmen endet Ende 2020. Da das Projekt dieses Jahr mehr Gäste als geplant erreichen konnte, wird das Geld schon vorher aufgebraucht sein. Derzeit entwickeln wir ein Fundraising Konzept wonach das Projekt zukünftig über Spenden weiterlaufen wird. 

 

5. Welche Erfahrungen habt ihr durch das Projekt gemacht?

Eine unserer Besucherinnen hat sich zur ehrenamtlichen Mitarbeit entschieden. Die Aufgabe jeden Donnerstag strukturiert ihre Woche und gibt ihr ein enormes Selbstwertgefühl. Das Ehrenamt für sozial schlecht gestellte wird bisher vielleicht unterschätzt. Allerdings erleben wir die Begleitung der Ehrenamtlichen auch als sehr herausfordernd. Die ehrenamtliche Arbeit die wir fordern ist vom Zeitumfang, von der körperlich schweren Arbeit (schwere Wärmebehälter schleppen und von Hand abwaschen), und von den emotionalen Anforderungen (Gespräche mit Menschen in Extremsituationen des Lebens) herausfordernd. Wie wir unsere Ehrenamtlichen für diese Aufgaben gut wappnen können und ihr Engagement angemessen wertschätzen können ist noch eine offene Frage.

Wichtig für das Projekt ist unserer Meinung nach der regelmäßige, verlässliche Kontakt zwischen den Besuchern und unserem Team. Es ist schön zu sehen, dass hier in relativ kurzer Zeit Beziehungen entstanden sind. Die Besucher nehmen das Gesprächsangebot mit den Seelsorgern aber auch mit den Ehrenamtlichen des Teams gerne wahr. Wir hören immer wieder, wie gut es ihnen tut einfach mal reden zu können. Auch zwischen den Besuchern sind Beziehungen entstanden, die über den Seelenschmaus hinausreichen. So ist der Seelenschmaus für einige ein nachbarschaftlicher Treffpunkt, wo man Gemeinschaft erlebt und voneinander erfährt.

Highlights sind für uns auch Situationen, wenn ein konkretes Problem (Wohnungssuche, Probleme mit Behörden etc.) auf kurzem Wege im Gespräch mit dem Lesepate gelöst werden kann. Das haben wir immer wieder erlebt. Der Besuch der Lesepaten ist für einige auch eine Möglichkeit mit „der Gesellschaft“ wieder in Kontakt zu kommen und die eigenen Bedürfnisse äußern zu dürfen.